Mission To Planet G - Markus Deml

Ausnahmemusiker mit Ambitionen

von Hansi Tietgen

Markus DemlDer aus Prag stammende, in Deutschland aufgewachsene und in den USA gereifte Gitarrist Markus Deml gilt als einer der größten "national guitar heroes". Seine Vitae läßt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen und reicht von internationalen Namen wie Bobby Kimball, Saga, Rick Astley bis hin zu nationalen Top-Acts wie Rödelheim Hartreim Projekt, Nena oder Kingdom Come. Neben seiner Arbeit für andere Künstler verfolgt der Ausnahmegitarrist mit dem Projekt Errorhead seit Jahren konsequent seine Soloambitionen. Planet Guitar traf Markus Deml während seiner Arbeit an seinem neuen Projekt Geo Beatz in den Frankfurter Klangwelt Studios und konnte ihm dabei sehr weitreichende Erkenntnisse und Analysen des Ist-Zustandes der Musiklandschaft im Jahr 2002 entlocken.

?PG: Der Release eures vielgeschätzen Errorhead Debut-Albums liegt mittlerweile einige Jahre zurück. Wann ist mit einem Nachfolger zu rechnen?

!MD: Aus Unzufriedenheit mit der Business Seite und der Tatsache, dass wir mit dem neuen Material nicht hundertprozentig zufrieden sind, verzögert sich die Fertigstellung. Mittlerweile steht das neue Album allerdings kurz vor der Vollendung und das neue Material gefällt uns wirklich ausgesprochen gut. Da wir aber alle sehr perfektionistisch veranlagt sind, gilt das Album solange als nicht fertig, bis es wirklich nichts mehr zu meckern gibt. Während der Aufnahmesessions haben wir ziemlich viel experimentiert und z. B. erstmalig mit einer Sängerin gearbeitet. Die so entstandenen Titel werden jedoch nicht Bestandteil des Albums sein. Von der Business-Seite her werden wir uns fortan eher auf das Ausland konzentrieren. Alleine schon aus dem Grund, weil der Prophet im eigenen Lande ja bekanntlich nichts gilt. Ich stamme zwar aus Prag, habe acht prägende Jahre in den USA verbracht und fühle mich sowieso eher als Weltbürger, aber ich lebe nunmal in Hamburg und wenn ich mich morgen in Michael Jackson verwandeln würde, würde es hier auch keinen interessieren. Die Lorbeeren müssen definitiv vorher im Ausland abgeholt werden. Wenn das passiert, wird es auch in Deutschland Anerkennung geben, aber dann ist es auch scheißegal.

Als ich das letzte mal in Prag war sah ich auf der Strasse einen Obdachlosen der Gitarre spielte. Der Mann war einer der besten Gitarristen, die ich jemals gehört habe und spielte auf einer alten Strat-Kopie aus DDR Zeiten, verstärkt von einen batteriebetriebenen Amp. Seine Technik war unglaublich beeindruckend, er hatte Stil, einen eigenen Sound, spielte tolle eigene Kompositionen. Ich fragte mich einfach nur warum dieser Typ nicht auf dem Titelblatt vom Guitarplayer ist? Warum sind es seit 15 Jahren immer die gleichen Leute über die geschrieben wird, mal ganz abgesehen davon, dass es natürlich herrvorragende Musiker sind. Ist es wirklich nur deshalb, weil der Crack aus New York einfach der bessere Gitarrist sein muss?!

Aber ich merke ja auch am Umgang mit meiner eignen Person, wie es läuft. Sobald die Leute deine Biographie lesen, hören sie dir anders zu und sie empfinden dich plötzlich anders - aber das ist falsch, weil: Wenn ich scheiße spiele, dann spiele ich scheiße - und trotzdem sind da meine Jünger die mir zujubeln. Spiele ich genial, bin aber unbekannt, dann kümmert es keinen Menschen - das ist besonders in Deutschland so. Das ist keine Wertung, es ist eine Feststellung.

?PG: Du zählst zu den individuellen Typen in der Branche, hast einen sehr eigenen Stil. Wirst Du primär gebucht weil die Leute "dich" wollen, oder weil sie einfach nur "Gitarre wollen" und Du gerade verfügbar bist?

!MD: Das weiß ich nicht, aber grundsätzlich versuche ich nicht zu sein, wie jemand anderer. Das heißt wenn ich zu einem Studiojob komme, denke ich nicht darüber nach wie der oder der das Stück jetzt spielen würde. So nach dem Motto: Spiels mal wie "The Edge" (U2). Natürlich werde ich ziemlich häufig mit solchen Wünschen konfrontiert und ich verstehe natürlich auch die Beweggründe. Dennoch versuche ich es zu vermeiden. Imitieren ist ja ganz normal. Als Kind hatte ich eine Gary Moore Phase und Gary war es auch, der mich überhaupt zur Rock-Gitarre gebracht hat. Aber es gibt Musiker, die legen diese Kindheitsphase nie ab und man hört immer das große Vorbild durch - ich glaube, das ist bei mir nicht so. Ob ich jetzt gerade deswegen gebucht werde....? Ich glaube sie heueren mich hauptsächlich wegen meiner dummen Sprüche an und weil ich die meisten Gitarren habe und sie einfach mal 35 Gitarren und 10 Amps in ihrem Studio sehen wollen... (lacht!)

?PG: Aber man sollte schon wissen, was man mit 35 Gitarren und 10 Amps anfängt...

!MD: Klar, aber das ist ja eh ein Hobby von mir - ich mach' ja sowieso nix anderes als Gitarre zu spielen, an Sounds rumzuschrauben oder mit Planet Guitar Redakteuren Tee zu trinken.... Spaß beiseite: Natürlich muß man mit seinem Zeug umgehen können.

Letztendlich glaube ich aber eigentlich nicht, dass im Studio Individualität gefragt ist; eher Funktionalität. Aber selbst wenn es nicht gewünscht wird, kriegt der Produzent oder Studiobesitzer diese Individualität mitgeliefert - ob er sie will oder nicht. Denn ich kann mich nicht 100% verbiegen und es macht mir ehrlich gesagt auch keinen Spaß. Gott sei Dank bin ich in der sehr glücklichen Lage Jobs nicht aus reinen Überlebensgründen annehmen zu müssen.

Wenn man sich über viele Jahre täglich 10 Stunden mit seinem Instrument befaßt, dann leidet man oft an einer etwas krankhaften Form von Ehrzeiz. Man steckt sich utopische Ziele, möchte etwas mit seiner Musik zu bewirken. Und auch wenn man sein Ziel vielleicht nie erreicht hat man doch ungemeinen Spaß dabei. Für mich war es bereits zu beginn meiner Karriere sehr wichtig, meine Individualität zu bewahren. Es gibt hunderte Gitarristen die über die Technik von Alan Holdsworth verfügen. Trotzdem hat Holdsworth etwas, was alle anderen nicht haben. Er hat Charisma. Man muss einfach hinhören und hingucken, wenn er spielt. Es ist eine Kombination aus Musik und Menschlichkeit. Nimm einen Gitarristen wie Albert Collins, technisch kein Olympiadeverdächtiger, aber wenn er einen Ton gespielt hat, dann brannte die Hütte.

Das Fehlen von Individualismus ist eine Zeiterscheinung und auch ein Fehler der Medien. Es ist das "Popstars" Syndrom. Das heißt nicht, dass die Leute schlecht sind. Im Gegenteil, dass Niveau im Singen, Tanzen, Spielen wird immer höher, aber die Musik wird immer dünner. Jeder Nachwuchskünstler eifert dem nach, was die Medien als Messlatte propagieren. Wenn Anastacia gehyped wird, dann liegen im Studio beim nächsten Job mindestens fünf Demo-CDs von Sängerinnen, die alle klingen wie Anastacia und alle im Studio lachen sich tot: Anastacia für Kassenpatienten. Genau, wie in den 80ern, wo jeder versuchte wie Eddy van Halen zu klingen. Die Leute trauen sich nicht aus der Reihe zu tanzen.

Ich lebe nunmal in Hamburg und wenn ich mich morgen in Michael Jackson verwandeln würde, dann würde es hier auch niemanden interessieren. Die Lorbeeren müssen definitiv vorher im Ausland abgeholt werden. Wenn das passiert, wird es auch in Deutschland Anerkennung geben, aber dann ist es auch scheißegal.

?PG: Liegt es nicht auch daran, daß man von den Individualisten weniger erfährt, eben weil sie nicht so gehypte werden?

!MD: Es erfordert eine ganz andere Kraft. Nehmen wir mal an, da ist ein junger Gitarrist; zwanzig Jahre alt. Er übt seit seinem 10. Lebensjahr und plötzlich wird ihm von den Medien als oberste Messlatte Gitarrist XY vorgesetzt. Wenn er jetzt zu seinen Kumpels kommt und sagt: "So, Leute. Ich kann jetzt Gitarre spielen wie XY", dann werden die Leute vor Begeisterung umkippen. Wenn dieser Junge jedoch was Eigenes spielt, etwas das die Leute noch nie gehört haben, dann werden sie Fragezeichen auf ihren Gesichtern haben. Jeder Künstler lebt aber wiederum vom Feedback. Wonach sucht denn ein Musiker der sich 10 Jahre lang einschließt. Zieht er sich zurück, hat er die Kraft seine Individualität weiter auszuleben? Niemand wird ihn dafür belohnen. Holdsworth wurde einmal aus dem Studio geschmissen, weil er den Vibratohebel seiner Gitarre auf seine ganz individuelle Weise benutzt hatte. Später, als er bekannt war, kopierte ihn jeder. So kannīs gehen. Auch van Halen hat ihn kopiert. Es gibt Holdsworth Aufnahmen von 1971, da hat er einen Gitarrensound wie Eddy auf "Van Halen I." Wieviele hochtalentierten Menschen, die den Willen haben zu arbeiten, schaffen es sich zurückzuziehen und zu sagen: "Es ist mir egal, was ihr von mir denkt, ich ziehe hier mein eigenes Ding durch...". Es ist viel einfacher zu sagen: "Wenn ich Euch das soundso XY Lick vorspiele, dann applaudiert Ihr mir alle..." und haben direkt ein Erfolgserlebnis. Da kommen nur die wenigsten durch und ich glaube auf diese Weise werden unglaublich viele Talente zerstört. Viele enden tragisch, andere hören mit dem Musikmachen ganz auf.

Sich durchsetzen zu können, setzt voraus, dass die Business Seite stimmt und die Presse propagiert, dass der neue Gitarrenmessias erschienen ist. Denn meiner Meinung nach setzt sich der normale Zuhörer nicht hin und hört wertfrei zu. Jeder hat es schon mal erlebt: Man spielt vor 200 Leuten, die einen kennen, und die Leute sind begeistert. Man spielt vor einem vollkommen fremden Publikum und Du siehst in fragende Gesichter, die nachdenken: "aber das erinnert mich jetzt an den.., das klingt aber so.., der hat aber ne lustige Mütze auf..." und in dieser Zeit haben die Leute keine Zeit zuzuhören. Leider brauchen 90% der Leute die Bestätigung der Medien: "das ist geil, das könnt ihr euch anhören!"

Es fängt schon beim Gitarrenkauf an. Jeder der mich kennt weiß, das ich immer auf der Suche nach der Super-Strat bin, aber ich habe keinerlei Berührungsängste eine neue Gitarre auszuprobieren. Wenn man jedoch in einen Gitarrenladen kommt gibt es letztlich vier Marken die gut laufen, zwei davon sehr gut. Das heißt Fender und Gibson laufen gut, Ibanez hat seine Klientel mit den siebensaitigen, tiefergestimmten "Korn-Jüngern" wiedergefunden, ab und zu noch Paul-Reed-Smith, die stark im Kommen sind. Die Leute fragen mich oft: "Wie kannst Du nur Yamaha-Gitarren endorsen?"

Erstens kann ich es endorsen, weil es gegen den Strom schwimmt. Aber der Hauptgrund ist, weil es einfach saugute Gitarren sind. Natürlich sind sie anders als meine Vintage-Strats, aber vielleicht suche ich ja auch nach etwas anderem als Strats....

?PG: Sind es nicht oft erkaufte Träume, die man sich mit einer "Legenden-Gitarre" erwirbt?

!MD: Klar erkauft sich mancher damit einen Kindheitstraum. Dagegen ist nichts zu sagen. Nur im Endeffekt können die wenigsten Sammler wirklich einen Unterschied zwischen den einzelnen Gitarren heraushören - darum geht es ja auch gar nicht. Es geht um dieses Quäntchen Unsicherheit, "wenn ich eine tolle Klampfe spiele, dann klinge ich auch gut...". Ich kann ja selbst nicht mehr bei Aufnahmen, die 2 Jahre zurückliegen, unterscheiden welche Klampfen ich bei was verwendet habe. Es gibt Leute, die es schaffen, aus einem Pod einen guten Sound im Studio herauszuholen, oder natürlich auch aus dem Yamaha Stomp. Die ganze Soundfrage ist pure Psychologie und Tageslaune. Einen Tag krieche ich förmlich in meine Engl Amps, am nächsten Tag bin ich in Marshall Laune, dann wieder Bogner oder Boogie und würde ich am nächsten Tag nicht sehen welcher Amp gerade im Studio verkabelt ist, dann könnte ich nicht sagen mit welchem Amp ich gerade den Track aufgenommen habe. Es ist wirklich in erster Linie der eigene Kopf, der einem hier was vorgaukelt.

Das Fehlen von Individualismus ist eine Zeiterscheinung und auch ein Fehler der Medien. Es ist das "Popstars" Syndrom. Das heißt nicht, dass die Leute schlecht sind. Im Gegenteil, dass Niveau im Singen, Tanzen, Spielen wird immer höher, aber die Musik wird immer dünner.

Jeder denkt daß Hendrix immer weiße Strats gespielt hat. Wer weiß denn eigentlich, dass er bei Aufnahmen auch Gibson-Gitarren verwendete und eine riesige Sammlung von Strats besaß? Red House ist auf einer Flying V gespielt. Er hat auch häufig eine SG mit drei Pickups benutzt., es gibt sogar Filmaufnahmen von Hendrix mit einer Les Paul Custom. Das gleiche mit Amps, mal Sunn, mal Fender, natürlich Marshall. Aber wenn man nicht hingesehen hätte, dann hätte man keinen wirklichen Unterschied gehört. Was bleibt ist ein radikales musikalisches Statement, das es seit Hendrix kaum wieder gegeben hat. Natürlich gab es noch andere wie Wes Montgomery, Django Reinhardt, Charlie Christian, aber nicht von der gleichen Radikalität der Veränderung.

?PG: Ist es nicht auch schwer geworden ein komplett neues Statement abzugeben?

!MD: Radikale Veränderung kann es nur geben, wenn die Leute dazu bereit sind. Aber in Zeiten von Retortenbands und Castings wollen die Leute auch nichts neues - sie fressen das, was ihnen vorgeworfen wird. Obwohl die erste Errorhead Scheibe keine Innovation darstellte, hat die Kombination von Gitarrenmusik und Technobeats die Leute teilweise sogar erzürnt "wie man denn sowas machen kann". Dabei war das noch meilenweit von "radikal" entfernt. Die Leute müssen natürlich für Verändereung bereit sein. Chemical Brothers sind natürlich fantastisch, aber sie setzen sich kommerziell nicht durch. Dann kommt natürlich die Piraterieproblematik dazu, die vor allem uns kleineren Künstlern schadet. Neben 8.000 verkauften Errorhead CDs gibt es sicherlich noch hunderte, die irgendwo "gebrannt" rumfliegen...

Der Markt wird heutzutage auch anders kontrolliert, die junge Hauptkäuferschicht wird dressiert. Brosis sind ja talentierte Menschen. Sie können alle gut tanzen, singen passabel, sehen gut aus. Das einzige, was ihnen fehlt ist Charisma, Eigenständigkeit und Tiefe. Aber solche Werte sucht man in der heutigen Pop-Musik eher vergebens. Durch den "Popstars" Verflechtungsprozeß zwischen Konsument und "Künstler", bei dem die Fans, wie im Beispiel Brosis, mit ihren Stars quasi gemeinsam groß werden können, wird es für die Industrie wesentlich einfacher Entwicklungen zu kalkulieren . Umso gandenloser ist dann die Problematik der Haltbarkeit des Erfolges und des schnellen Verschwindens in der Versenkung, sobald der Erfolg nachläßt.

Das witzige ist, dass jeder der einigermaßen ernsthaft Musik machen will und älter als 25 ist, gar kein Popstar mehr werden will - es ist geradezu verpönt. Ich finde diese Veränderung im künstlerischen Lager sehr amüsant. Es bauen sich geradezu zwei Parteien auf. Auf der eine Seite gibt es diejenigen, die von der VIVA Karriere träumen. Den Gegenpol bilden Leute, die wieder ernsthaft Musik machen wollen. Und das ist auch das gute daran, dass die Illusion das man, wenn man etwas zu sagen hat jemals auf VIVA gezeigt wird, komplett gestorben ist. Denn auf diese Weise füllt sich das Lager der ernsthaften Musiker wieder - weil sie gar nicht mehr auf VIVA laufen wollen, sozusagen dem kulturellen Untergang trotzend.

Jeder denkt daß Hendrix immer weiße Strats gespielt hat. Wer weiß denn eigentlich, dass er bei Aufnahmen auch Gibson-Gitarren verwendete und eine riesige Sammlung von Strats besaß? Red House ist auf einer Flying V gespielt.

?PG: Hat Musik nicht generell durch seine Allgegenwärtigkeit und Verfügbarkeit an Wert verloren?

!MD: Das ist sicherlich ein Aspekt, aber wichtiger ist die Bedeutung des Videoclip. Dem Bild, das über der Musik steht. Knackige Hintern, Waschbrettbauch, Tattoos, alles toll, aber keiner redet mehr über den Song. Wenn Ihr mal MTV oder VIVA seht, dann macht doch einfach mal die Augen zu. Was da läuft ist doch meistens furchtbar. Wir leben in einer Zeit, in der das Visuelle einfach alles ist. Es gibt doch seit den Weather Girls keine weibliche Sängerin mehr, die keinen gepiercten Nabel hat, süß aussieht und dann im Interview nicht behauptet sie sei noch Jungfrau...

Wie definiere ich mich denn heutzutage? Über Designerklamotten, Tattoos, coolen Look? Das einzige, was uns aus diesem Wahnsinn rettet ist, die Musik zu machen nach der wir uns fühlen, doch das wird von den Videokanälen eliminiert. Abgesehen von dem "burnout" solcher Pop-Karrieren, die mit 320 Terminen im Jahr um die ganze Welt gehetzt werden und mit 25 reif für die Anstalt sind und mit 27 aussehen wie 40...

?PG: Das erinnert mich an Deine berühmte Eröffnung bei Deinen Workshops: "Liebe Freunde der Musik und Feinde von VIVA!"

!MD: Genau, es soll in Hamburg schon den ersten Anti-VIVA-Club geben.

?PG: Oder wie Du so schön sagst: Vorstandsmitglied der GGR, Gitarristen gegen Rapper...

!MD: Wobei ich gegen HipHop im allgemein nichts habe. Das Rödelheim Hartreim Projekt beispielsweise fand ich wirklich geil. Was ich hasse sind die endlosen Nachäffer, die jeglichen Individualismus an der Tür abgegeben haben und auch die Ignoranz vieler HipHopper, für die die Musik aus dem Vinyl kommt. In Wahrheit interessiert es sie einen Scheißdreck, dass die Musik von Menschen gemacht wurde. Sie suchen nur eine Unterlage, auf der sie "ihre fetten Skillz abfahren können". Dabei ist mit den ersten Fanta Vier und RHP Alben nahezu alles gesagt worden - neben ein paar wenigen guten Nachfolgern wie z.B. Freundeskreis, ist das meiste andere nur Scheiße, die oben mitschwimmt. Ich verstehe nicht warum die Leute nicht bereit sind zu expandieren, mal was neues zu machen. Die Industrie würde bei dem Erfolg des deutschen HipHop ja sogar noch mitziehen. Ich denke man interessiert sich nicht für Veränderung.

Beim letzten Errorhead Gig spielten wir nur als Trio mit akustischen Drums und es wurde sehr hendrix-mäßig, ziemlich erdig. Anschließend kam ein 11-jähriger zu mir und sagte: "Das war ja total geil, wie nennt man denn so ne Musik?" Daran sieht man welch schmale Bandbreite die Videokanäle liefern, wie Kultur eingeengt und kanalisiert wird. Frank Zappa hat einmal gesagt "Ich möchte nicht ein Teil der Musikindustrie sein, weil die Musikindustrie sich nur nach der Mode bewegt, das heißt, wenn diese Saison Pink die Modefarbe ist und ich nicht Pink liefere, dann bin ich weg vom Fenster. Diesem Turnus will ich mich nicht unterziehen" Daraus ist eine langlebige Karrierre entstanden. Die Industrie würde große Bands wie einst Led Zeppelin, Who, Beatles gar nicht mehr zulassen, weil irgendein solariumgebräunter Vollidiot darüber bestimmen will, was die Teenies zu hören haben. Würde er das machen und solche Größen zulassen, hätte er es auf einmal mit vier Individuen zu tun, die auch noch eine eigene Meinung dazu haben, wie ihre Platte zu klingen hat, wie sie auszusehen wollen, wie sie sich präsentieren, warum sie nicht bei "the Dome" oder anderen Pappnasenveranstaltungen spielen würden ..., soviel zu der oft gestellten Frage, warum es keine wirklich großen Bands mehr gibt.

Aber auch das ist ja egal, denn auch die Legenden lassen sich ja immer wieder beliebt neu in "Best Of" Manier aufwärmen und erneut auf den Markt werfen.

?PG: Also welche Message an den Nachwuchs leitest Du daraus ab?

!MD: Was ich oft bei Gitarrenworkshops gefragt werde ist: "Ich möchte Berufsmusiker werden, wie hast Du denn das mit dem Geld gemacht...?"

Das ist natürlich der Tod des Rock'n'Roll. Eine Antwort darauf ist "Scheiße fressen", und das habe ich wirklich und wenn Ihr nicht das Ziel habt, beim nächsten Popstar Casting genommen zu werden, dann müßt Ihr das wahrscheinlich auch machen... Es gibt viele Möglichkeiten, es gibt auch ein Leben neben VIVA, ein Leben in dem man etwas macht woran man glaubt und man wird mit 50 noch Spaß an der Musik haben. John McLaughlin hat immer noch diese Leidenschaft und das Feuer - das nenne ich wirkliches Glück.

?PG: An was arbeitest Du zur Zeit?

!MD: Zur Zeit arbeite ich zusammen mit 3 anderen Musikern an einem Projekt namens "Geo Beatz". World-Musik Kitsch, bekiffte Marokkaner, ausgeflippte MCs, tiefergestimmte Gitarren, totale Freiheiten. Es wird ein sehr, sehr spannendes Album. Mit dabei sind Thomas D.-Drummer Bertil Mark, der Frankfurter Keyboarder und Produzent Lothar Krell und schließlich Oliver Poschmann am Bass, der den PG Lesern ja bekannt sein dürfte. Irgendwann wird es auch eine neue Errorhead geben, aber es wird sie nicht geben, bis ich glaube, daß sie die Welt verändern wird, bis sie ein extremes Statement abgeben wird.

?PG: Schlußwort?

!MD: Übt, übt 20 Stunden am Tag, die Zeit wird kommen, zu der wieder Fähigkeiten am Instrument gefragt sein werden und ich freue mich immer noch über jede Minute, die ich mit meinem Instrument verbringen kann.

 

Markus Deml Credits: Simon Collins, Saga, Kingdom Come, Bobby Kimball, Snap, Rödelheim Hartreim Projekt, Grooveminister, Nena, Achim Reichel, Lotto King Karl, Rick Astley, Laith Aql-Deen, Schwester S. Mario Adorf, Pat Mears, Michael Sadler u.v.m.

Buchveröffentlichungen: Guitar-World (mit Jeremy Sash), erschienen im Schott Verlag